Es ist der Albtraum jedes Mannes: der Herztod beim Geschlechtsakt. Aber besteht diese Gefahr wirklich? Der Arzt und Journalist Werner Bartens erklärt, wie viel Bewegung – ob bei Sport oder Sex – gesund ist. Ein Auszug aus dem Buch “Glücksmedizin”.
Zu viel Aufregung kann tödlich sein. Zu viel Bewegung ebenfalls. Der Dänenkönig Frederik VIII. brach 1912 auf der Durchreise von Nizza nach Kopenhagen zusammen. Er machte mit seiner Familie gerade Zwischenstation in Hamburg und war abends noch unterwegs.
Der Legende nach ereilte den 68-Jährigen ein Herzinfarkt, kurz nachdem er in einem Freudenhaus zu Besuch war. Um ihm die öffentliche Schmach zu ersparen, trugen die Liebesdienerinnen den schwächelnden Regenten angeblich auf den Gänsemarkt. Dort eilte ein Frauenarzt dem blassen Monarchen, der sich unter falschem Namen vorgestellt hatte, zwar noch zu Hilfe, doch er konnte ihn nicht mehr retten. Kurz darauf starb der König.
Der Tod beim Sex
Der Tod während des Geschlechtsakts oder danach hat immer wieder die Phantasie von Künstler*innen, Literat*innen und auch Fremdgänger*innen angeregt. Lange Zeit war die Fachwelt der Meinung, dass Sex den Männern heftig zusetzen konnte und der “mors in coitu” sie besonders häufig in fremden Betten dahinraffte.
Aufregung und schlechtes Gewissen gaben den herzschwachen Männern den Rest. Eine Studie hat das Phänomen genauer untersucht und die Risiken bei plötzlicher körperlicher Anstrengung unter die Lupe genommen: Die Forscher*innen haben sich in ihrer Meta-Analyse auf zwei erschöpfende Tätigkeiten konzentriert: den “episodischen Sport” und “gelegentliche sexuelle Aktivitäten”.
Sex erhöht die Infarkt-Wahrscheinlichkeit
Zur Beruhigung der Männer muss gesagt werden, dass die Gefahr, beim Sex oder während des Sports den Herztod zu erleiden, insgesamt als sehr gering einzustufen ist. Die günstigen Wirkungen dieser Tätigkeiten überwiegen.
Jedoch verschweigen der Mediziner Issa Dahabreh und die Medizinerin Jessica Paulus von der Tufts University in Boston nicht, dass beide Aktivitäten akute Herzprobleme auslösen können: “Obwohl bekannt ist, dass sich regelmäßige Bewegung positiv auf Herz und Kreislauf auswirkt, gibt es immer wieder Hinweise dafür, dass akute Belastungen wie plötzliche Anstrengung, Sex und psychischer Stress einen Infarkt triggern”, schreiben sie.
Die Auswertung von 14 Untersuchungen mit insgesamt 10.000 Patient*innen ergab, dass plötzliche sportliche Betätigung das Risiko für einen Herzinfarkt um das 3,5-Fache erhöhte. Durch Sex stieg die Wahrscheinlichkeit für einen Infarkt immerhin noch um das 2,7-Fache an.
Ob die Männer tatsächlich in Gefahr waren, hing allerdings von ihrem Trainingszustand ab. Ungeübte hatten ein weitaus höheres Risiko. “Die akute Gefahr für einen Herzinfarkt bei Untrainierten steigt bei gelegentlicher Aktivität an”, sagt Martin Halle, Chefarzt der Sportmedizin an der Technischen Universität München. “Ein zügiger Spaziergang von fünf Minuten oder ähnliche Anstrengungen können bereits zur Überlastung werden.”
Untrainierte bewegen sich bereits bei dieser gering erscheinenden Belastung im anaeroben Bereich, das heißt, sie gehen eine Sauerstoffschuld ein, die den Körper überlasten kann. Halle wählt zur Illustration ein Ehepaar mittleren Alters. Sie geht täglich mit dem Hund raus, der Mann bewegt sich hingegen kaum und ist völlig untrainiert. “Wenn er dann doch einmal im Monat dran ist, den Hund auszuführen, und der ihn ordentlich um den Block scheucht, ist das Infarktrisiko des Mannes um das Fünffache erhöht”, so der Sportmediziner.
Wer sich regelmäßig bewegt, ist kaum in Gefahr
Wer sich hingegen ein- oder zweimal in der Woche länger bewegt, ist kaum in Gefahr. “Regelmäßig körperlich aktiv zu sein, senkt natürlich das Risiko für Infarkt oder gar Herztod”, schreiben Dahabreh und Paulus.
Sie wollen nicht missverstanden werden und mit ihrer Analyse nicht suggerieren, dass Sport und Sex mehr schaden als nutzen. “Das ist generell nicht der Fall, wir wollen aber darauf hinweisen, dass beide Aktivitäten für kurze Zeit das Risiko akuter kardialer Zwischenfälle erhöhen.” Besonders untrainierte Männer sind in Gefahr.
Wer sich im Zeitlupentempo bewegt, nie Sport treibt und schon bei der geringsten Anstrengung außer Atem gerät, hat ein deutlich erhöhtes Risiko, bei jäher körperlicher Aktivität Herzprobleme zu bekommen. Die Adern werden seltener beansprucht und sind deshalb wenig elastisch.
Von den starren Gefäßwänden löst sich leichter ein Gerinnsel, das dann eine Herzkranzarterie verstopfen und einen Infarkt auslösen kann. Wer hingegen einigermaßen Kondition hat und in seinen Alltag genügend Bewegung integriert, für den stellen weder Sport noch Sex eine gesundheitliche Bedrohung dar.
Mythos vom gefährlichen Höhepunkt in fremden Betten
Männern, die auf dem Weg in das zweite Stockwerk auf der Treppe schon außer Atem geraten, ist daher zu empfehlen, behutsam zu trainieren und ihren Fitnessgrad langsam, aber kontinuierlich zu steigern. Dann besteht kaum mehr die Gefahr, dass beim Liebesspiel oder während eines spontanen Kicks im Arbeitskreis das gestresste Herz versagt.
“Manche Menschen müssen ganz von vorn anfangen, denen nützen Trainingspläne mit dreimal 45 Minuten Jogging in der Woche nichts”, sagt Halle. “Für die ist es bereits ein Erfolg, wenn sie es irgendwann schaffen, eine halbe Stunde lang zügig zu gehen. Der größte Nutzen für das Herz stellt sich ein, wenn man sich vom Nichtstun hin zu einem solchen minimalen Bewegungsniveau verbessert.”
In den neunziger Jahren wurde immerhin der Mythos vom gefährlichen Höhepunkt in fremden Betten entkräftet. Zu diesem Vorurteil hatten eher die Reue der Männer und ihr schlechtes Gewissen beigetragen. Wissenschaftlich bestätigen ließ sich das nicht.
Eine Auswertung der Todesursachen von mehr als 10.000 Männern zeigte 1996 beispielsweise, dass lediglich 43 von ihnen durch plötzlichen “Stress” gestorben waren – und nur drei von ihnen während des Akts.
Auch wenn entsprechende Statistiken nicht immer der Wahrheit entsprechen und aus Pietät gelegentlich andere Gründe angegeben werden, macht der “mors in coitu” unter den unerwarteten Todesfällen bei Männern damit weniger als ein Prozent aus.
Obwohl das Risiko, beim Liebesspiel vom Tod ereilt zu werden – in welchem Bett auch immer –, als ziemlich gering erachtet werden kann, scheuen besonders Männer mit bereits bestehenden Herzleiden die Wonnen der Lust, vom Sport ganz zu schweigen.
Sie fürchten den Infarkt, wenn sie sich zu sehr verausgaben. Dabei hat auch hier die Wissenschaft längst Entwarnung gegeben. Die Herzfrequenz bleibt beim Orgasmus zumeist im gesundheitlich unbedenklichen Bereich von etwas weniger als 120 Schlägen pro Minute. Auch der Verbrauch von Sauerstoff und der Stoffwechsel werden durch Sex nicht stärker beansprucht als etwa während der Hausarbeit oder beim Golfen.
Für diejenigen, die mehr über das richtige Maß an Bewegung erfahren möchte, sollten mal einen Blick in Werner Bartens Buch “Glücksmedizin: Was wirklich wirkt” werfen.