Ein Läufer, der im Gefängnis landete, ein Marathon-Sieger, der auf Strümpfen ins Ziel kam und ein Politiker auf dem Lauf zu sich selbst: Die Historie des Frankfurt-Marathons ist voll von lesenswerten Randgeschichten.
1981: Wirbel um zwei Afrikaner
Zur Premiere des Hoechst-Marathons – so hieß der Frankfurt-Marathon zunächst – bekamen auch zwei Südafrikaner eine Einladung: Jeff Bacon (Landesrekordhalter mit 2:12:10 Stunden) und Hosea Tjale. Doch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) legte sein Veto ein und untersagte ihren Start, da Südafrika wegen seiner Apartheid-Politik seinerzeit international isoliert war.
Hans Jürgensohn, einer der Gründer des Hoechst-Marathons, sammelte daraufhin die Startnummern von Bacon und Tjale wieder ein und meldet sich als DLV-Mitglied ab. Die Südafrikaner liefen dennoch, und zwar ohne Startnummern und die ersten Kilometer demonstrativ in der ersten Reihe. Gestoppt haben sie ihre Zeiten selbst mit 2:18:36 (Bacon) und 2:21 (Tjale).
1989: Der Läufer, der im Gefängnis landete
Wie einige andere erreichte auch “ein Spitzenläufer mit einer niedrigen Startnummer” (so schrieb die Nachrichtenagentur Associated Press) nicht das Ziel. Nein, der Läufer war den Marathon nicht zu schnell angegangen, hatte nicht zu wenig getrunken oder war vom “Mann mit dem Hammer” erwischt worden. Der 34-jährige Amateur landete in einer Gefängniszelle, nachdem ihn ein Kriminalhauptkommissar während des Rennens als gesuchten Straftäter mit einer Restlaufzeit von einem Jahr Freiheitsstrafe identifiziert hatte.
1993: Beim Jubeln verletzt
1992 und 1993 – im Rückblick “Goldene Jahre” für den deutschen Marathon. Bei Olympia in Barcelona gewann Stephan Freigang die Bronzemedaille; Katrin Dörre-Heinig triumphierte 1993 in London, bei der nachfolgenden Heim-WM in Stuttgart lief sie trotz eines Fehlgriffs nach der ersten Trinkflasche und Seitenstechen auf Platz sechs. Ebenso wie der überglückliche Konrad Dobler aus Germaringen; als Zwölfter kam der Frankfurter Kurt Stenzel ins Ziel.
Das Bild von Dobler, der Stenzel allzu ungestüm herzte und ihm dabei einen Nackenwirbel ausrenkte, druckten damals fast alle deutschen Zeitungen. Dobler und Stenzel waren zwei Monate später auch in Frankfurt am Start, betätigten sich als “Hasen” für Freigang und stiegen gemäß der Absprache nach dem Erreichen der Halbmarathonmarke (1:05:32) aus.
1997: Joschka Fischer macht sich fit
Da gibt es dieses Bild von Joschka Fischer am Straßenrand von Frankfurt, seine Hände klatschen Beifall, und der einstige Spitzenpolitiker sieht ziemlich zufrieden aus. Damals startete Fischer mal wieder ein neues Leben, nachdem seine dritte Ehefrau ihn verlassen hatte. Fischer trainierte für seinen ersten Marathonlauf.
Als Fraktionssprecher von Bündnis 90/ Die Grünen hatte er noch etwas mehr Zeit als ein Jahr später nach dem Wahlsieg von Rot-Grün. 22 Kilometer am Stück konnte Fischer zum Zeitpunkt seiner Stippvisite in Frankfurt schon laufen, der Bauch war weg, statt Rotwein gab es Apfelsaftschorle. Der Mann, der Fischer 1997 den Trainingsplan “Ich-werde-fit-wie-ein-Turnschuh” schrieb, war der dreimalige Frankfurt-Sieger Herbert Steffny.
1999: Auf kaputten Strümpfen ins Ziel
Hatte es das schon einmal gegeben in Frankfurt? Wohl kaum. Der Äthiopier Haile Koricho kam auf zerschlissenen Strümpfen ins Ziel. Unterwegs hatten seine neuen Laufschuhe gedrückt und gezwickt, so dass er sich ihrer kurzerhand entledigte. Das Ergebnis der ungewöhnlichen Bemühungen: Rang elf in 2:17:35 Stunden.
2005: Tatort Frankfurt-Marathon
Für das Tatort-Team des Hessischen Rundfunks (hr) waren die Dreharbeiten im Rahmen des Frankfurt-Marathons in mehrfacher Hinsicht eine filmische und logistische Herausforderung. Der hr war mit neun Drehteams vor Ort, die an unterschiedlichen Stellen der Laufstrecke positioniert waren. Da der Ablauf des Events nicht beeinträchtigt werden durfte, gab es jeweils nur eine Chance, den laufenden Kommissar Fritz Dellwo abzubilden.
Am Ende des Marathontags hatte der hr rund zwanzig Minuten im Kasten. Gesendet wurde der Tatort mit den Schauspielern Jörg Schüttauf und Andrea Sawatzki ein Jahr später, am Abend der Jubiläumsveranstaltung 2006. Punktgenau zum 25. Geburtstag. Titel des Krimis: “Das letzte Rennen”.
2008: Der Sieg des großen Unbekannten
Er kam aus dem Nichts und überraschte alle: Robert Cheruiyot. Der 20-Jährige sorgte nicht nur für den siebten Tagessieg eines Kenianers in Frankfurt, sondern lief mit 2:07:21 Stunden zugleich in die Weltklasse und zu einem fantastischen Kursrekord. Bei Kilometer 35 hatte sich Cheruiyot abgesetzt und war unwiderstehlich davongezogen.
Später bei der Pressekonferenz fragten sich selbst die professionellen Laufberichterstatter, wer dieser junge Mann überhaupt ist. Da waren fast alle anderen 13 Kenianer, die hinter Cheruiyot einkamen, bekannter … Verwandt oder verschwägert mit dem Boston- und Chicago-Sieger Robert Kipkoech Cheruiyot ist er jedenfalls nicht.