Schneller werden ohne zu trainieren? Das ist der Traum aller Läufer*innen, den Hypnose angeblich wahrmachen kann. Im Gespräch mit einem der bekanntestem Hypnotiseure Deutschlands.
Beim Stichwort “Hypnose” denkt man an Menschen, die scheinbar willenlos verrückte Dinge tun. Dass mit diesem Verfahren auch Sportler ihre Leistung steigern können, klingt im ersten Moment hingegen eher abstrus.
Wissenschaftlich untersucht wurden die Anwendungen und Auswirkungen von Hypnose auf sportliche Leistungen bisher nicht, aber einer ist sich sicher, dass es sie gibt: Martin Bolze ist Deutschlands wohl bekanntester Hypnotiseur, der seit über 25 Jahren öffentliche Shows macht und an der Castingshow “Das Supertalent 2010” teilnahm.
Bolze, der unter dem Künstlernamen Pharo auftritt, möchte jedoch nicht nur sein Publikum verblüffen, sondern sein Können auch nützlich einsetzen.
Deswegen veröffentlichte der Mann aus dem westfälischen Peckelsheim bereits zahlreiche Coaching-DVDs, mit denen zum Beispiel eine Gewichtsreduzierung unterstützt werden soll.
Falls das funktioniert, liegt die Überlegung, dass ähnliche Methoden zur Leistungssteigerung von Läufern angewendet werden könnten, ziemlich nah. Um dieser Vermutung auf den Grund zu gehen, muss man erst einmal wissen, was man unter Hypnose überhaupt versteht.
Wie beim Dösen auf der Couch
“Hypnose ist ein Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, in dem sich jeder Mensch mindestens zwei Mal am Tag kurz vor dem Einschlafen und vor dem Aufwachen befindet”, definiert Pharo.
Auch das Dösen auf der Couch ähnelt einem hypnotischen Zustand, weil man zwar nicht wie beim Tiefschlaf vollkommen weggetreten, aber eben nicht ganz Herr seiner Sinne und seines Körpers ist. “Wissenschaftlich wird dies der Alphazustand genannt: Man nimmt viel wahr, hat jedoch kein Interesse, sich an irgendetwas zu beteiligen.”
Genau in solchen Momenten funktioniert Hypnose, da dann das Unterbewusstsein manipulierbar und leitbar ist. “Man ist fernab seiner eigenen Gedankenwelt, unwichtige Dinge werden nach hinten geschoben und deshalb wird das Unterbewusstsein angesprochen”, weiß der Hypnotiseur, der in diesem Zustand Anweisungen, so genannte Suggestionen, gibt.
“Es ist wie bei einer Festplatte, die mit neuen Dateien programmiert wird. Natürlich vorausgesetzt, das Unterbewusstsein nimmt die Suggestionen an.” Denn Anweisungen, die gegen das Unterbewusstsein verstoßen, werden gar nicht aufgenommen.
Leistungssteigerung von bis zu 25 Prozent
Bei therapeutischer Hypnose werden zudem, beispielsweise beim Abnehmen, keine kleinen, direkten Suggestionen wie “Iss ab sofort kein Fett!? vermittelt. Vielmehr soll wieder gelernt werden, unbewusst mehr auf den Körper zu hören.
“Sportler machen häufig psychisch völlig dicht und durch die Hypnose kann die Psyche wieder etwas freigelegt werden”, so Pharo. “Hypnose stellt die im Kopf befindlichen Probleme in den Hintergrund und anderes, wie den Sport, in den Vordergrund. Beim Thema Abnehmen berichteten mir Kursteilnehmer später, dass sie, ohne bewusst darauf zu achten, vollkommen anders eingekauft haben.”
Diese Methode der positiven, zielgerichteten Hypnose können sich laut Pharo auch Hobby- oder Leistungssportler zunutze machen. Er arbeitete lange mit dem Schwimmer Frank Hoffmeister, der bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988 startete.
“Das Unterbewusstsein wird auf die Zielsetzung ausgerichtet und die Leistung wird unter anderem dadurch gesteigert, dass man die Angst nimmt”, erläutert der Hypnotiseur. “Viele Sportler gehen aus Angst gegenüber ihrem Gegner oder sich die Bänder zu reißen gar nicht bis an ihr Limit.”
Bei Bodybuildern, mit denen Pharo in Duisburg trainierte, konnte er so nach eigenen Aussagen eine Leistungssteigerung von bis zu 25 Prozent erzielen.
Ein Arzt warnt
An solch traumhafte Ergebnisse glaubt Dr. Felix Richter-Hebel aus Bremen nicht. Bis zu seinem Ruhestand im vergangenen Jahr betrieb der passionierte Läufer, der neben seiner allgemeinmedizinischen eine psychotherapeutische Ausbildung absolvierte, eine eigene Praxis.
“So etwas ist zumindest von physiologischer Seite wie Belastbarkeit, Pulsfrequenz oder Sauerstoffaufnahme nicht erklärbar. Dort gibt es keine Beeinflussbarkeit durch Hypnose, allenfalls im Motivationsbereich ist es entfernt vorstellbar”, zeigt sich Dr. Richter-Hebel skeptisch.
Eine Beeinflussung des Unterbewusstseins ist laut des Arztes höchstens in minimalen Grenzen und abhängig von der Persönlichkeit machbar.
“Einem extrem negativ eingestellten Sportler, der nur die Misserfolge sieht, wird das vielleicht ein Stück weiterhelfen. Ich verspreche mir davon jedoch keinen großen Effekt. Aber es ist in der Medizin schließlich nichts Unübliches, dass Dinge versprochen werden, die nicht messbar sind und somit nicht gehalten werden.”
Zudem warnt der Ausdauersportler davor, dass eine Beeinflussung zu Überlastung führen kann. “Man überschätzt sich und nimmt Signale oder Schmerz nicht mehr wahr, weil sie durch die Hypnose womöglich überspielt werden.?
Einfach mal ausprobieren
Davon, dass kleine Suggestionen generell beim Laufen helfen können, ist Dr. Richter-Hebel überzeugt. “Jeder Ausdauersportler weiß, dass Selbstsuggestion und das eigene Mantra unglaublich hilfreich sind, vor allem bei langen Strecken. Jeder hat seine eigenen Tricks, um an solch eine große Aufgabe heranzugehen.”
Er selbst würde sich bei Marathons zum Beispiel sagen, dass er noch 20 Kilometer laufen darf, nicht muss. “Dadurch wird die Strecke zwar nicht kürzer, aber es hilft durchaus.?
Obwohl nach Meinung von Hypnotiseur Pharo der Einsatz seiner Fähigkeiten nicht nur bei vielen Sportarten wie Schwimmen, Skisport oder eben Lauftraining hilfreich sein kann, weist auch er auf die Grenzen hin:
“Eine Leistungssteigerung ist bei Läufern bestimmt möglich, allerdings habe ich immer ein wenig Bedenken, dass sie durch eine extreme Konzentration zu langsam werden.
Man kann durch Hypnose die Geschwindigkeit sicher erhöhen, darf es jedoch nicht überstrapazieren, man kann Hypnose in vielen Bereichen einsetzen, sollte sie aber nicht als Wundermittel sehen. Sie ist keine Superpille, die man nimmt und sofort läuft man besser.”
Gastbeitrag von Anne Kirchberg aus “Running – Das Laufmagazin”