Sind die Badeseen entvölkert, bricht ihre Zeit heran: Eisschwimmer*innen haben erst so richtig Spaß, wenn die Wassertemperatur Richtung Gefrierpunkt fällt. Der Berliner Eisschwimmer Sven Melcher erklärt, warum ihn sein verwegener Sport süchtig macht.
Achilles Running:* Herr Melcher, wie kommen Sie auf die Idee, in eiskaltem Wasser zu schwimmen?
Sven Melcher: Das hat sich einfach so ergeben. Ich habe eines Sommers damit begonnen, jeden Tag im See zu schwimmen. Die Strecken wurden mit den sinkenden Temperaturen zwar immer kürzer, aber ich habe durchgehalten. Und dann war es auch schon Januar und ich bin bei der Weltmeisterschaft (WM) in Slowenien gestartet.
Es gibt eine WM im Eisschwimmen?
Ja, da mischen allerdings ziemlich viele Schwimm-Profis mit, die das Eisschwimmen gar nicht speziell trainiert haben. Bei Wassertemperaturen von zwei, drei Grad frieren die zwar viel mehr, springen aber eben mal kurz ins Wasser und holen sich die Titel ab.
Wie lange halten Sie es denn in so eisigem Wasser aus?
Ich gucke nicht so genau auf die Uhr. Die zurückgelegte Strecke, rund 300 Meter, ist mir wichtiger. Ich friere beim Schwimmen zwar nicht, aber irgendwann spüre ich meine Finger nicht mehr und muss raus. Am Ufer fängt dann erst das Zittern an.
“Die Stille, der einsame See, das glatte Wasser – das macht süchtig”
Eisschwimmer Sven Melcher
Sicher tragen Sie einen Neopren-Anzug …
Nein, Badehose, Badekappe und Schwimmbrille reichen. Ich mache auch keine Aufwärmübungen oder so. Einfach Klamotten runter und ab ins Wasser.
Was bitte macht daran Spaß?
Man gelangt in eine Sphäre, die ganz weit weg ist von Alltag und Arbeit: die Stille, der einsame See, das glatte Wasser – das macht süchtig. Ulkig aber ist: Wenn ich eine halbe Stunde später wieder angezogen am Ufer stehe, kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, gerade noch im See gewesen zu sein.
Ist Ihr Hobby nicht ungesund?
Wenn man es richtig macht, stärkt Eisschwimmen sogar das Immunsystem. Über die Schweinegrippe konnte ich nur lachen.
Was raten Sie Anfänger*innen, die es mal mit dem Eisschwimmen probieren wollen?
Die wichtigste Regel: Immer in Begleitung zum Schwimmen gehen, damit im Fall der Fälle Hilfe da ist. Auch eine Kopfbedeckung ist Pflicht. Außerdem sollten Einsteiger*innen schon im Sommer mit dem Training anfangen, um den Körper kontinuierlich an das immer kälter werdende Wasser zu gewöhnen.
Gibt es einen sportlichen Traum, den Sie haben?
Der Brite Lewis Pugh ist am Südpol einen Kilometer durch null Grad kaltes Wasser geschwommen und am Nordpol durch minus ein Grad kaltes Wasser. Hinterher sagte er: “Der Unterschied zwischen null und minus ein Grad ist wie der zwischen Kalt- und Warmduschen.” Ob das wirklich so ist, würde mich mal interessieren.
Video: Lewis Pugh durchschwimmt den Nordpol
*Um die Antworten des Interviewpartners nicht zu verfälschen, werden lediglich die Fragen “gegendert”.